Zuversicht in schwierigen Zeiten - Neujahrsempfang der Malteser in Nürtingen

Diese beeindruckende Zahl präsentierte Marc Lippe, der Bezirksgeschäftsführer der Malteser, der die Zahlen in die verschiedenen Bereiche aufschlüsseln konnte: Demnach rückten die Rettungswagen der Malteser in den Landkreisen Esslingen, Reutlingen, Tübingen und Zollernalb zu rund 21.000 medizinischen Notfällen aus, mehr als 3500 mal begleitet von einem Notarzt-Einsatzfahrzeug der Malteser. Fast 25.000 weitere Einsätze wurden im Krankentransport verzeichnet und der ärztliche Bereitschaftsdienst, der außerhalb der Sprechzeiten der niedergelassenen Hausärzte für medizinische Probleme zur Verfügung steht, wurde zu fast 10.000 Einsätzen angefordert.

Auch bei der Versorgung und Integration von Geflüchteten sind die Malteser weiterhin aktiv, hier gab es unter anderem eine Impfaktion gegen Mumps, Masern und Röteln, bei denen die Malteser auch Dolmetscher zur Verfügung stellten. „Wir entlasten damit die Hausarztpraxen und können die Sprachbarriere überwinden, um besser über die Notwendigkeit der Impfungen zu erklären“, betonte Lippe. Zugleich starteten die Malteser in 2024 in die Kinderbetreuung: Im Rahmen der „Spielzeitbetreuung“ entlasten die Malteser die Erzieherinnen und Erzieher in den vorhanden Betreuungseinrichtungen und sorgen für verlässliche Öffnungszeiten in Zeiten des pädagogischen Fachkräftemangels. Viele Kommunen haben das Angebot der Malteser inzwischen in ihre Kinderbetreuung integriert, in Kürze kommt mit Leinfelden-Echterdingen eine weitere Stadt hinzu. „Die Verträge sind schon unterzeichnet“, freute sich der Bezirksgeschäftsführer. Inzwischen beschäftigen die Malteser in diesem Bereich mehr als 100 Mitarbeiter, die eigens für die Aufgaben mit ihren kleinen Schützlingen geschult werden. Apropos Ausbildung: Bei den Maltesern absolvieren aktuell auch 50 junge Menschen ein Freiwilliges Soziales Jahr, zugleich gibt es fast 50 Auszubildende, die eine dreijährige Ausbildung zum Notfallsanitäter machen. Im vergangenen Jahr konnten so 13 neue Notfallsanitäter ihre Ausbildung beenden, ebensoviele Azubis starteten neu in die anspruchsvolle Ausbildung. „Durch unsere hohen Ausbildungszahlen konnten wir den Mangel an Notfallsanitätern erfolgreich beheben“, erklärte Lippe zufrieden.

Zugleich sind die Malteser auch im Ehrenamt stark engagiert, etwa im Bevölkerungsschutz, bei der Seniorenarbeit im Nürtinger Café Malte oder in vielen Regionen als „Helfer vor Ort“, die im Falle von medizinischen Notfällen wichtige Erste Hilfe leisten, ehe der Rettungsdienst eintrifft. Wie wichtig dieses ehrenamtliche Engagement ist, zeigte sich just am Morgen des Neujahrsempfangs, als das Blitzeis den Rettungsdienst an seine Leistungsgrenzen brachte. Vielerorts besetzten Ehrenamtliche der Malteser zusätzliche Einsatzfahrzeuge, um die gestürzten oder verunfallten Menschen zu versorgen. „Sie sind nach einen langen, anstrengenden Tag jetzt bei uns – vielen Dank für Ihren Einsatz“, begrüßte der Nürtinger Stadtbeauftragte, Michael Medla, die Ehrenamtlichen beim Neujahrsempfang. „Ihr vielseitiges Engagement im Bevölkerungsschutz und im Gesundheitswesen stimmt mich zuversichtlich“, erklärte Medla – nicht nur an die Malteser-Familie gewandt, denn auch aus anderen Hilfsorganisationen wie der Polizei, dem THW, dem DRK oder der Feuerwehr waren Vertreter zum Neujahrsempfang der Malteser gekommen.

Medla brauchte aber auch politische Herausforderungen zur Sprache. So bedauerte der Nürtinger Stadtbeauftragte erneut die Schließung der Notfallpraxis in Kirchheim, welche die Malteser 20 Jahre lang erfolgreich betrieben hätten. „Wir hätten den Betrieb gerne fortgesetzt und bedauern die Schließung außerordentlich“, erklärte Medla und betonte zugleich: „Wir brauchen jetzt gute, erweiterte Rahmenbedingungen für die Notfallpraxis in Nürtingen.“ Auch die Kritik an der Reform der Leitstellen, in deren Zuge die medizinische Beratung unter der Nummer 116 117 an die Kassenärtzliche Vereinigung ausgelagert wurde, erneuerte Medla. Durch diese „Verschlimmbesserung“ sei es zu langen Wartezeiten für die Patienten und zu anderen Problemen gekommen, erklärte Medla und bedauerte, dass eine angestrebte weitere Reform durch das Ampel-Aus gescheitert sei. „Wir hoffen, dass dies von der nächsten Bundesregierung wieder aufgegriffen wird“, sagte Medla. Der Bundestagsabgeordnete Nils Schmid (SPD) und der Wahlkreiskandidat der CDU, Professor Dr. Matthias Hiller unter den Gästen dürften gut zugehört haben.

Einen weiteren Wunsch gab Michael Medla zum Ende seiner Rede allen Anwesenden, darunter auch zahlreiche Vertreter aus dem Nürtinger Gemeinderat und Bürgermeister aus dem Landkreis, mit: Das „zentrale Anliegen“ der Malteser sei der Neubau in Nürtingen, welcher für das Haupt- und Ehrenamt künftig zukunfsweisend sei. „Die bereits zugesagten Förderungen reichen noch bei weitem nicht aus, um uns eine gute Zukunft zu sichern“, erklärte Medla, der zugleich allen bisherigen Spenden für das Projekt dankte. Auch in diesem Jahr, betonte Medla, würden die Malteser an dem Projekt dranbleiben. Der Nürtinger Stadtbeauftragte forderte seine Zuhörer auf: „Rühren Sie auch weiter die Werbetrommel für dieses wichtige Projekt, um uns gute Rahmenbedingungen für unsere Arbeit zu ermöglichen.“

Appell für eine „glaubhafte Abschreckung“

Michael Giss, Leiter des Landeskommandos Baden-Württemberg der Bundeswehr, sprach beim Neujahrsempfang der Malteser über „Zeitenwende und Gesamtverteidigung“.

Michael Giss, Kapitän zur See, ist ein Mann klarer Worte. Der Leiter des Landeskommandos Baden-Württemberg der Bundeswehr sprach beim Neujahrsempfang der Malteser Neckar-Alb in Nürtingen zum Thema „Zeitenwende und Gesamtverteidigung“ und benannte Russland hier glasklar als „Feind“, der auch die Bundesrepublik im Rahmen seiner hybriden Kriegsführung gegen den Westen längst durch Fake News, Cyberangriffe, Sabotage und Spionage angegriffen habe – unter der Schwelle zum Krieg, die das Völkerrecht vorgebe, wie Giss betonte. Vorbei sind die Zeiten, in denen bei der Bundeswehr „Grünland“ gegen „Rotland“ antrat. Die Bedrohung ist real geworden. „Während wir hier miteinander sprechen, stirbt im Donbass alle zweieinhalb Sekunden ein ukrainischer, russischer oder nordkoreanischer Soldat. Und alle zweieinhalb Sekunden passiert das wieder. Keine zweieinhalb Flugstunden entfernt.“ Eindringliche Worte, die den Ernst der Lage allen Anwesenden deutlich machten. „Es wurde mucksmäuschenstill“, merkte später auch Michael Medla an, der Nürtinger Stadtbeauftragte der Malteser.

„Wir sind alle wach geworden“, befand auch Giss angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Gegen ein Land, das sich für Freiheit und Liberalität nach westlichem Vorbild entschieden habe. Und nun um diese Freiheit kämpfe. Einen Kampf, den vor allem Kremlchef Wladimir Putin dem ganzen Westen angesagt habe. „Für Putin ist der Zusammenbruch der Sowjetunion eine mentale Katastrophe“, erklärte Giss. Längst habe der russische Alleinherrscher Spitzbergen oder die baltischen Staaten als weitere Ziele genannt. Darauf müsse Deutschland reagieren, um durch glaubhafte Abschreckung den Frieden zu sichern. „Es darf sich für Putin nicht lohnen, die Nato anzugreifen“, betonte der baden-württembergische Landeskommandeur. Daher müsse die Bundesrepublik nun, nachdem die drei Jahrzehnte von der Friedensdividende profitiert habe, den Schalter umlegen; „Die Streitkräfte wurden 30 Jahre lang heruntergewirtschaftet, ebenso wie die Polizei und der Zivilschutz“, betonte Giss. Der Nachholbedarf sei immens, allein bei der Bundeswehr seien in den nächsten Jahren jährlich verlässlich 80 Milliarden Euro notwendig, um die Streitkräfte zu wappnen.

Auf Deutschland komme bei der wirkungsvollen Abschreckung eine Schlüsselrolle zu, sei das Land im Zentrum Europas zu einer internationalen Drehscheibe geworden. 800.000 Soldaten, so Giss, müssten nach den aktuellen Planungen des nordatlantischen Bündnisses durch Deutschland an die Ostflanke der Nato verlegt werden, um Putins imperialistische Pläne rechtzeitig im Keim zu ersticken und den Frieden zu sichern. Eine logistische Herausforderung – angesichts des Zustandes von Brücken und Schienen im Land. Auch die Bundeswehr sei dann mit allen verfügbaren Truppen an der Ostflanke gefragt – in Deutschland würde die Heimatschutzdivision verbleiben, die aktuell neu aufgestellt würde. „Und ihr Landeskommando“, erklärte Giss und brachte dann, bei aller Ernsthaftigkeit des Themas, seine Zuhörer kurz zum Schmunzeln. Ergo: Zur Versorgung der durchmarschierenden Truppen seien die Hilfsorganisationen gefragt. Ohne hin sei die im Operationsplan Deutschland erdachte „Gesamtverteidigung“ nicht nur eine militärische, sondern auch eine gesellschaftliche Aufgabe. „Wir brauchen den Katastrophenschutz und die Wirtschaft: Dann muss Porsche eben auch mal ein Jahr lang Leopard-Motoren bauen“, sagte Giss. „Hierzu bräuchte es ein Bewusstsein für die Gefahr in der Bevölkerung. Und einen Wehrwillen, um die Freiheit zu verteidigen“, erklärte der Leiter des Landeskommandos und gab offen zu: „Noch ist dieser Wille und das Bewusstsein hierfür nicht ausreichend vorhanden.“

Dabei teste Russland mit seinem „operativ idiotischen“, langsamen Vormarsch in der Ukraine insbesonder auch die Willensstärke des Westens. „Die Ukraine geht in das vierte Kriegsjahr. Wie lange können wir dabei zusehen, wie Russland die Ukraine zerstört? Wann werden wir kriegsmüde? Haben wir ein Bedrohungsbewusstsein? Was tun wir als Gesellschaft, wenn Putin mit Atomwaffen droht?“ Die Reaktionen im Westen auf diese Fragestellungen würden in Russland genau beobachtet. Giss forderte Haltung ein: „Wir sollten sagen: Du hast die Atombombe. Aber wir haben sie auch.“ Deshalb müsse sich auch die deutsche Gesellschaft darauf vorbereiten, „was passieren könnte, wenn politisch alles ganz schlecht kommt“. In fünf bis acht Jahren, so die Schätzungen des Generalinspekteurs der Bundeswehr, könne Russland in der Lage sein, sich mit der Nato anzulegen. Die bei Naturkatastrophen und der Corona-Pandemie bewährte zivilmilitärische Zusammenarbeit könnte dabei ein „Joker“ sein, den das Land im Spannungs- und Verteidigungsfall ziehen müsse, betonte der Kapitän zur See und erntete dabei den Applaus der anwesenden Vertreter der verschiedenen Hilfsorganisationen und der Polizei.


Für weitere Informationen steht Ihnen unsere Pressestelle zur Verfügung.